Welches Mitspracherecht haben KrebspatientInnen? Therapieentscheidung im Dialog!

Das Thema „Patientenrechte“ und „mündiger Patient“ ist in aller Munde. Aber welches Mitspracherecht bei der Therapieentscheidung haben PatientInnen, die an einer schweren und hochkomplexen Erkrankung leiden, etwa an Krebs? Wie ist einerseits die Rechtslage in Deutschland und was wird in der alltäglichen Praxis gelebt? Wir fragen nach bei Dr. Martin Müller-Stahl, dem Ärztlichen Leiter der Krebsfachklinik Veramed. Seit 1985 unterstützt die zwischen München und Kufstein gelegene Spezialklinik Patientinnen und Patienten im Kampf gegen Krebs mit einer Kombination aus Schulmedizin und Naturheilkunde.

Wie ist eigentlich die Rechtslage in Deutschland? Dürfen, sollen oder müssen KrebspatientInnen bei der Therapie mitentscheiden?

Dr. Müller-Stahl: In Deutschland haben PatientInnen einen Rechtsanspruch auf eine angemessene Aufklärung und Beratung sowie auf eine sorgfältige und qualifizierte Behandlung. Dies ist im Patientenrechtegesetz, einem Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, geregelt. Das Patientenrechtegesetz sieht außerdem vor, dass PatientInnen an der medizinischen Entscheidung beteiligt werden. Man spricht dann von der sogenannten „partizipativen Entscheidungsfindung“. Durch immer neuere wissenschaftliche Erkenntnisse in der Medizin gibt es auch immer mehr und innovativere Behandlungsoptionen für KrebspatientInnen. Aber meiner Erfahrung nach ist letztendlich entscheidend: Was ist die oder der einzelne Patient bereit anzunehmen und mitzutragen?

Inwieweit realisieren Sie dieses Konzept in der Veramed Klinik?

Dr. Müller-Stahl: Wir legen in der Veramed Klinik sehr großen Wert darauf, dass jede und jeder einzelne Patient sich bei der Entscheidungsfindung für eine Therapiemethode bei uns einbringen kann, wenn er oder sie das gerne möchte. Bislang gibt es zwar wenige verfügbare Studien zum Behandlungserfolg von PatientInnen, die an ihrer Therapieentscheidung aktiv mitgewirkt haben. Aber in der Veramed Klinik stellen wir in unserer Arbeit täglich fest, dass beteiligte Patienten in der Regel emotional stabiler sind und den Verlauf der Behandlung realistischer einschätzen können. Und wer sich in einen echten Dialog mit dem behandelnden Team begibt und sich aktiv einbringt, trägt die folgende Behandlung auch oft besonders gut mit.

Wollen überhaupt alle PatientInnen mitsprechen, wenn es um ihre Therapie geht?

Dr. Müller-Stahl: Viele Patienten möchten an der Entscheidung beteiligt werden. Aber es gibt natürlich auch viele PatientInnen, die diese Entscheidung aus verschiedenen Beweggründen lieber komplett in die Hände des Klinikteams legen möchten. Auch das ist natürlich völlig in Ordnung. Wie stark der Wunsch nach Teilhabe ist, kann unter anderem auch von der Art der Erkrankung und vom familiären Umfeld abhängen. Es gibt Studien, die zeigen, dass Betroffene, die an einer sehr aggressiven Krebsvariante leiden, wichtige therapeutische Entscheidungen dann eher der Ärztin oder dem Arzt überlassen. Natürlich zwingen wir in der Veramed Klinik niemanden dazu, eine aktive Therapieentscheidung zu fällen, wenn er oder sie sich das nicht zutraut oder sich damit unwohl fühlt. In all diesen Fällen legen wir dann aber natürlich besonderen Wert darauf, die PatientInnen wirklich mit ins Boot zu holen, sie über die einzelnen Behandlungsoptionen genauestens aufzuklären und im Detail zu erläutern, weswegen unser Team nach eingehender Betrachtung des Einzelfalls genau diese Behandlungsstrategie empfiehlt. Unser Anspruch in der Veramed Klinik ist, dass sich jede Patientin und jeder Patient gesehen und wertgeschätzt fühlt. Und das gilt selbstverständlich auch nach gefallener Therapieentscheidung: PatientInnen haben im gesamten Behandlungsverlauf die Möglichkeit, Erwartungen, Gedanken und Sorgen offen anzusprechen – und dürfen unbedingt auch wiederholt nachfragen, wenn etwas nicht verstanden wurde. Ganz wichtig ist im Übrigen auch, die Therapieentscheidung nicht übers Knie zu brechen. Deshalb planen wir für unsere PatientInnen ausreichend Bedenkzeit ein. Erkrankte sollen wirklich alle Informationen einholen können, um dann in Ruhe abzuwägen.

Wie nehmen PatientInnen Ihr Konzept der „Partizipativen Entscheidungsfindung“ auf?

Dr. Müller-Stahl: Viele unserer PatientInnen berichten, dass sie sich bei uns in der Veramed Klinik das erste Mal von ÄrztInnen so richtig ernst genommen fühlen. Insbesondere bei einer lebensverändernden Erkrankung wie Krebs sind viele Betroffene zunächst verunsichert und manchmal auch etwas überfordert ob der enormen Fülle an unterschiedlichsten Informationen. Ein guter Arzt beziehungsweise eine gute Ärztin gibt jedem einzelnen Betroffenen die Möglichkeit, Wünsche zu äußern und Fragen zu stellen und somit im besten Fall eben auch mehr Klarheit bei der Entscheidung für die richtige Behandlung. Ich orientiere mich dabei gerne an dem Zitat des Wiener Verhaltensforschers Konrad Lorenz: „Gesagt ist nicht gehört. Gehört ist nicht verstanden. Verstanden ist nicht einverstanden.“ Dazu zählt natürlich auch, dass PatientInnen bei uns nicht als beliebige Nummer behandelt werden und ein vorgefertigtes Standardtherapieverfahren vorgesetzt bekommen. Die Meinung unserer Patientinnen und Patienten ist uns wichtig, denn sie müssen sich mit der Behandlung – so weit als unter den Umständen möglich – wohlfühlen. Wenn alle an einem Strang ziehen, wächst auch bei allen mehr Mut.

Sie dürfen sich gerne auch den Original-Artikel aus der HALLO-Stadtzeitung München hier herunterladen:
KW09_Mitspracherecht_Dr._Müller-Stahl_04.03.2023.pdf

Sie haben Fragen? Wir sind gerne für Sie da! Tel. 08034/3020 oder E-Mail an info@veramed.de